Gujarat und Rajasthan
Teil 1
10. bis 31.Maerz
Muehsam schiebt sich unser Gefährt durch tiefen Sand. Bei jedem Bergauf halten wir den Atem an. Das Schild war eindeutig: Links nach Ajmer. Doch nun befinden wir uns auch ebenso eindeutig auf einer Baustelle. Nach etwa 1 Kilometer beschwerlichen Fortbewegens muessen wir umkehren. Ein Arbeiter macht uns darauf aufmerksam, dass es doch offensichtlich waere, Barrieren errichtet waeren und "work in progress". Ok, Barrieren haben wir keine gesehen und derlei Baustellen sind ueberall im ganzen Land. Also wieder retour durch den tiefen Sand. Harry und der Bus schaffen es mit Bravour, und bald befinden wir uns wieder auf dem "Highway".
Seit 3 Wochen sind wir nun wieder unterwegs, haben am 10. Maerz Eva's Mutti in Bombay abgeholt und den Badeort Goa mit dem wirklichen Indien ausgetauscht. Vorbei nun mit endlosen Strandspaziergaengen, Meeresrauschen und romantischen Sonnenuntergaengen. Vorbei mit Goa's Annehmlichkeiten wie westlichen Konsumguetern jeglicher Art (z.B. Balsamicoessig, Olivenoel, Champagner, Haarbalsam..). Vorbei aber auch mit Goa's negativen Seiten wie etwa der zunehmenden Unfreundlichkeit der Einheimischen. Unsere Erkenntnis: Der Massen- und Pauschaltourismus scheint das Paradies Goa langsam aufzufressen, mit dem Wohlstand waechst die Unzufriedenheit und mit der Unzufriedenheit waechst die Unfreundlichkeit. Schade.
Mit Mutti geht es erst mal nach Daman, einer kleinen ehemaligen portugiesischen Kolonie direkt am Meer unweit von Bombay. Dort heisst es zunaechst ein paar Tage entspannen ehe wir uns ins "tiefere Indien" begeben. Unsere Tour fuehrt weiter ueber Patan mit seinem wunderschoenen Treppenbrunnen sowie Champaner mit seiner Rajputenfestung nach Mount Abu.
Mount Abu
In der Naehe von Mount Abu besuchen wir die Delwara Tempel, ein wahres Meisterwerk der Baukunst. Unzaehlige Saeulen aus weissem Marmor, reich verziert mit Figuren, Blueten und dergleichen - man weiss gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Diese bedeutenden Jain-Tempel wurden in 14 Jahren von 2.700 Arbeitern fertiggestellt. Der Jainismus ist mit etwa 0,5 % der indischen Gesamtbevoelkerung (1,3 Mrd.) am meisten in Gujarat vertreten. Oberstes Gebot der Jains ist die Erhaltung jeglichen Lebens. Die Glaeubigen sind weiss gekleidet und besonders strikte Angehoerige dieser Religion tragen einen Mundschutz um nicht versehentlich ein Insekt einzuatmen und kehren den Weg vor sich, um auf kein Tier zu treten.
Waehrend wir die Tempel betrachten schart sich eine Gruppe junger Maedchen um Mutti und mich. Sie betrachten uns stillschweigend. Ein ausgestopftes Marsmaennchen koennte nicht interessanter sein. Besonders Mutti's helle Augen werden betrachtet. Kommentarlos, auch ohne jede Mimik, aber doch mit einem kleinen Sicherheitsabstand. Ein "Namaste" meinerseits zaubert schliesslich ein Laecheln in die Gesichter, eine Konversation kommt trotzdem nicht in Gange. Wir werden weiterhin schweigsam und intensiv in Augenschein genommen. Ein "Ram Ram" und Winken bewegt unsere Betrachterinnen letztendlich zum Gehen.
Am naechsten Tag ist Holi, ein Fest zum Fruehlingsbeginn, welches ausgelassen im ganzen Land gefeiert wird. Am ersten Tag des 10taegigen Festes wird mit Farbpulver geworfen - dass wir Touristen besonders begehrte Opfer sind, liegt auf der Hand. Doch wir sind gut ausgeruestet: Am Vortag decken wir und mit Farbpulver in Pink, Lila und Neongruen sowie mit 2 Wasserspritzpistolen ein. Der Fotoapparat bleibt vorsichtshalber zuhause und wir feiern ausgelassen mit.
Unsere Fahrt geht weiter durchs Hinterland nach Ranakpur, wo uns wieder wunderschoene Tempel erwarten. Die Strassen sind schlecht, wir fahren durch unzaehlige kleine Doerfer und immer wieder erregt der Anblick von uns "Weissen" grosses Aufsehen, was zunaechst verhaltenes Laecheln und in weiterer Folge offenes Lachen und kraeftiges Winken nach sich zieht, oftmals auf mit einem freundlichen "Hello" verbunden.
Da Mutti im Hotel schlaeft kommen Harry und ich immer wieder in den Genuss einer ausgiebigen Dusche. Es ist schoen, mit ihr zu reisen, sie ist absolut unkompliziert und begeisterungsfaehig und sieht Dinge, die fuer uns schon ganz normal und alltaeglich waren. Durch sie sehen wir Indien wieder mit neuen Augen, werden wieder offen fuer die kleinen und nebensaechlichen Dinge, - etwa eine Kuh, die sich aus einem Laden eine Karotte stibitzt.
Seit 2 Tagen sind wir nun in Puschkar, einem uralten hinduistischen Pilgerort am heiligen Puschkarsee gelegen. An den Ghats (= Treppen, die zum heiligen Wasser fuehren, an dem die Glaeubigen ihre rituellen Waschungen vornehmen) beobachten wir das religioese Leben und lassen uns von der friedlichen Atmosphaere des Ortes einnehmen. In den Gaesschen findet sich neben den Geschaeften mit Devotionalien auch zahlreiches Angebot an Souvenir und Bekleidung und das Herumflanieren birgt einen weiteren Grund, hier laenger zu verweilen....